Kaiser Claudius und seine letzte Frau Agrippina minor.
Germanicus und seine Frau Agrippina maior .
Vergleicht man die Abbildungen der Köpfe auf dem Kameo mit denen auf Münzen, denkt man auf den ersten Blick nicht an eine Umwidmung; ein prächtiger Kameo mit einer schlüssigen Darstellung.
Der qualitätvolle Kopf des Germanicus ist hervorragend ausgearbeitet. Lediglich an der Unterschneidung der Ober- und Unterlippe und an den Haarspitzen der Stirnhaare gibt es einige Unregelmäßigkeiten. Ansonsten ist der Kopf ohne erkennbare Überarbeitungsspuren. Fein geschnittene, sich überlappende Haarsträhnen, elegant geschwungene Augenlider, überwiegend harmonische Farbverteilung und eine perfekt bis in alle Ecken geglättete Oberfläche zeigen, dass hier ein Gemmenschneider zu Gange war, der seine Kunst beherrschte und zu den Besten seiner Zeit gehörte. Ob es sich bei dem etwas zu dunkel geratenen Unterkiefer um einen Schönheitsfehler im Stein handelt, oder ob dieser Bereich überarbeitet wurde um ihn seinem Gegenüber farblich anzugleichen, ist nicht nachweisbar.
Betrachtet man jetzt den relativ kleinen Claudiuskopf auf der gegenüberliegenden Seite,
- mit dem im Bereich Auge-Stirn-Stirnhaare eingedellten, prägnant geschnittenen Gesicht,
- mit dem sehr kleinen tiefliegenden Auge,
- mit
der kleinen Nase - zu der das große Ohr nicht passt,
- mit den unsauber geschnittenen, tiefliegenden Stirnhaaren,
- mit den abgeschnittenen Nackenhaaren,
- mit den Konturen die an Hals, Nacken, Nase, Stirn und Mund so tief geschnitten sind, dass die braune Zwischenschicht zum Vorschein kommt, so kann es keinen Zweifel geben:
Dieser Kopf passt weder stilistisch noch technisch zu dem wunderbar gravierten Germanicus-Porträt auf der rechten Seite. Der Claudius Kopf muss das Ergebnis einer Umarbeitung sein. Der Aufbau des Kameos mit zwei Doppelfüllhörnern - Symbol der ptolemäischen Geschwisterpaare, könnte ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass hier ursprünglich ein Porträt von Kaiser Caligula (12 n. Chr. - 41 n. Chr., reg. 37 – 41 n. Chr) und seiner Schwester Drusilla (12 n. Chr. bei Confluentes (heute Koblenz); †38 n.Chr.), zusammen mit ihren Eltern, abgebildet war.
Diese Hinweise auf eine Umarbeitung der Gemma Claudia sind auch nicht mit dem Argument zu wiederlegen, dass die unsauber verarbeiteten Stellen, von denen der Claudius Kopf - die Hauptfigur dieses Kameos - übersät ist, auf die Schludrigkeit des Künstlers zurückzuführen wäre und solche Stellen bei den besten Kameen vorkommen würden.
Dass der Kopf des Kaisers (Caligula) besonders sorgfältig gravierte wurde zeigen die nicht überarbeiteten, sehr fein gravierten Haare am Hinterkopf und die wunderbar ausgearbeitete Aegis mit feinsten Federschuppen und fein geriffeltem, umgeschlagenen Rand, auf dem sich drei Schlangen winden; diese Aegis erinnert einen an die qualitätvolle Aegis der Tazza Farnese.
Die unruhige Politur und die leichten Farbverschiebungen im Bereich Hals, Kinn, Mund und Nase des Claudius auf der Oberfläche des darunter liegenden Frauenkopfes, lassen keinen Zweifel aufkommen, dass der Kopf massiv überarbeitet und das Profil von der Nase bis zum Kinnansatz, um ca. 2 mm nach hinten verschoben wurde. Die ursprüngliche Kontur des Caligula Kopfes ist auf dem Stein noch schemenhaft erkennbar. Auf dem Abguss im Streifenlicht kommt die Kontur der Urfassung noch klarer zum Vorschein. Auch der ursprüngliche Verlauf von Drusillas Schleiertuch, unterhalb vom Kinn des Kaisers, ist hier noch sichtbar (Abb.5) .
Abb.5 Die Kontur der Urfassung ist auf dem Abguss noch zu erkennen.
_______________
Die Fotomontagen zeigen, wie man aus einem Caligula einen Claudius mit fliehendem Kinn gezaubert hat. Die eingezeichneten Hilfslinien belegen, dass die beiden Männerköpfe vor der Umarbeitung ungefähr gleich groß waren.
Fotomontage.
Fotomontage.
Glücklicherweise wurde bei der Überarbeitung unsauber gearbeitet, so dass es heute noch möglich ist, die einzelnen Schritte dieser diversen sekundären Eingriffe nachzuvollziehen.
Es ist schon erstaunlich, dass die Geschlossenheit der Darstellung erstmals 1994, von Frau S. Künzel, in einem Aufsatz, der leider wenig Beachtung fand, bezweifelt wurde (2).
Mein Artikel über die Gemma Claudia ist 2019 im Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 19/20 erschienen .
Kaisers Claudius in Vorderansicht, lorbeerbekränzt mit Szepter, in Tunika und Toga.
(Wien, KHM, Inv. Nr. ANSA IXa23 )
Kaiser Claudius (überarbeitetes Fragment)
Wien, KHM, Inv. Nr. ANSA IXa23
Rechts: Gipsabguss
Portätbüste des Kaisers Claudius (ursprünglich Caligula).
(durch Drusilla ergänzt)
Unter Kaiser Claudius wurden im Zuge der "moderaten" damnatio memoriae, dennoch viele Caligula Porträts überarbeitet. Auch bei diesem Kameo - einer allgemein anerkannten Überarbeitung eines Kaiserporträts - kann es sich ursprünglich nur um ein Porträt von Kaiser Caligula gehandelt haben. Tiberius und Augustus scheiden aus, denn einen Grund Kameo-Porträts von Kaiser Tiberius oder Augustus umarbeiten zu lassen, gab es nicht. Die Gemma Augustea und der Grand Camée de France, die sich wahrscheinlich in der selben Schatzkammer wie die überarbeiteten Stücke befanden, belegen dies; hier blieben alle Porträts unangetastet, auch die von Tiberius und Augustus.
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Bildnis des kleinen Jungen auf dem Grand Camée — es soll sich, wenn der Kameo 26 n. Chr. gefertigt wurde, um den damals 14-jährigen Caligula handeln — der neben seinen 19 und 20-jährigen Brüdern, in der Größe eines maximal 7-jährigen dargestellt ist — ebenfalls unangetastet blieb. Was die Frage aufwirft: Handelt es sich bei dem kleinen Jungen überhaupt um Caligula, oder nicht doch um den, neben Nero, zweiten potenziellen Thronfolger, nämlich Tiberius Gemellus. Er war 26 n. Chr. genau 7 Jahre alt.
Betrachtet man die Qualität der in claudischer Zeit entstandenen Überarbeitungen, so wird man feststellen, dass sie nicht im entferntesten, das gilt besonders für die Gemma Claudia, an die erhaltenen Reste der Originalgravuren heranreichen. Dies bedeutet, dass es zur Zeit der Überarbeitung, nach 49.n. Chr., keinen Graveur mehr gab, der überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine qualitätsvolle Kamee wie z.B. die Gemma Claudia herzustellen.
Claudius mit Eichenkranz (corona civica) und Aegis
77 x 57 mm
Nationalbibliothek, Paris
Wie groß der Qualitätsunterschied ist, zeigt eindrucksvoll dieses Claudius-Porträt mit Eichenkranz und Aegis in Paris. Die elegante Linienführung einer Gemma Claudia wird nicht mehr erreicht. Die komplette Konzeption erscheint etwas pummelig. Aegis und Frisur fallen qualitativ stark ab. Da das Gesicht stilistisch dem Claudius Gesicht der Gemma Claudia ähnelt, muss man davon ausgehen, dass der Schöpfer dieser Kamee auch mit der Überarbeitung der Gemma Claudia beauftragt wurde.
Auch die punktförmige, hochsitzende Wiedergabe der Pupille, entspricht der des Claudius auf der Gemma Claudia. Die sichelformigen, tiefersitzenden Pupillen der drei anderen Porträts auf der Gemma Claudia unterscheiden sich davon in eklatanter Weise.
Dieses zweifelsfrei in der Regierungszeit des Claudius entstandene Porträt " Claudius mit Eichenkranz" kann frühestens 41 n.Chr. gefertigt worden sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es im Zuge der Umarbeitungen, 49 n. Chr., also nach der Hochzeit von Agrippina minor mit ihren Onkel Claudius entstanden ist. Wahrscheinlich hat Agrippina minor die Umarbeitungen und Neuschöpfungen veranlasst.
Fotomontage.
Links: Der Claudius-Caligula Kopf der Gemme Claudia.
Rechts: Der pummelige Claudius Kopf in Paris.
__________
Ein Kaiser mit den Attributen des Jupiter
Ähnlich "pummelig" geschnitten wie der Claudius Kopf in Paris, ist diese Gravur in Chicago, die einen Kaiser mit den Attributen des Jupiter zeigt. Der Kameo könnte aus einer Steinschneider-Werkstatt stammen , die für Caligula und später auch für Claudius arbeitete. Auch der Kopf der Drusilla, auf einer überarbeiteten Kamee in Stuttgart, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde, könnte aus dieser Werkstatt stammen.
Kaiser mit den Attributen des Jupiter (Marlborough-Alsdof)
51 x 40 mm
The Art Institut of Chicago
Die stark nach innen gedrehten Hakenlöckchen und die rundlich verdrehten Kranzschleifenenden auf dem Kameo in Chicago sind im gleichen Stil geschnitten wie die Locken und Kranzschleifenenden bei dem Pariser Claudius-Kopf. Einiges spricht dafür, dass hier der selbe Graveur zugange war.
Obwohl der Kaiser steht, "flattert" die Kranzschleife. In augusteischer Zeit sind diese flatternden Kranzschleifenenden selten, erst später tritt diese flatternde Variante der üblicherweise nach unten hängenden Kranzschleifenenden öfters in Erscheinung, auch auf Münzen.
Ob der Stein in claudischer Zeit überarbeitet wurde, lässt sich zur Zeit noch nicht feststellen. Claudius oder Caligula? (2 a)
Karneol-Intaglio
1. Jh. v. Chr. ?
Ermitage zu St. Petersburg
Dieser elegant geschnittene Intaglio eines jugendlichern hellenistischen Herrschers mit flatternder Kranzschleife, diente wahrscheinlich als Vorbild für den Kameo " Kaiser mit den Attributen des Jupiter".
Die überlegene Eleganz und Dynamik des Intaglios wird von dem Kameo jedoch nicht mehr erreicht.
Dass Kopisten immer Spuren hinterlasse zeigt sich auch bei diesem Kameo. Die ovale Form des Rundschilds auf dem Intaglio wurde übernommen und findet sich jetzt auf dem Kameo als das ovale Teil der Ägis, das vom Unterarm herabhängt.
_______
Agrippina maior ?(überarbeitet) 53 x 35 mm Drusilla 52,5 x 38 mm
( Megow, Nr: D 45 (2 b), Vollenweider und ( Megow, Nr: D 36, Vollenweider und
Avisseau-Broustet, Nr: 111 (2 c)). Avisseau-Broustet, Nr: 112)
Aus der selben Steinschneider-Werkstatt stammen auch diese beiden, fast gleich großen Kameen in der Nationalbibliothek in Paris. Vollenweider und Avisseau-Broustet erkennen in beiden Porträts Agrippina II, Megow in beiden Drusilla.
Dass die Köpfe, deren Profil sich mit aller Deutlichkeit voneinander unterscheidet, sich auch auf unterschiedliche Personen beziehen, steht außer Frage.
Übersehen wurde bis jetzt, dass die Frisur dieser Kamee komplett überarbeitet wurde. Die ursprüngliche Frisur bestand wahrscheinlich aus Ringellöckchen welche die Stirn umrahmten, und in einer Ansammlung von kleinen Löckchen, einer Löckchentraube, vor dem Ohr endeten. Diese Löckchentraube wurde entfernt, der Köcher, der sie jetzt als Diana ausweist wurde aus der abgeschnittenen Zopfschlaufe neu gestaltet und die Reste des Zopfes zu einem Knoten geformt.
Sicherlich war hier ursprünglich nicht Drusilla dargestellt, die sich durch ein kurzes Philtrum, den Abstand zwischen Amorbogen und Nasenunterkante, auszeichnet. Ein Vergleich mit der Gemma Claudia zeigt eindeutig die physiognomischen Unterschiede. Das Philtrum der Drusilla ist kurz und das Philtrum ihrer Mutter lang. Wer hier ursprünglich dargestellt war lässt sich, aufgrund der Überarbeitung, nicht mehr benennen.
Agrippina maior ? als Diana (überarbeitet)
__________
Stilistisch nicht vergleichbar mit den Kameen in Paris und Chicago ist der sogenannte "Marlborough-Cameo" der einst George Spencer, dem Fourth Duke of Marlborough (1738-1817) gehörte.
Ein langgezogener schmaler Kopf mit sehr hoher Stirn, feinst ausgearbeitetem Ohr, tief eingeschnittener Mundspalte und einer unnatürlich weit vom Kopf abstehenden, durchlöcherten Kranzschleife — zu der es kein vergleichbares Beispiel gibt — lassen erheblichen Zweifel an einer Claudius-Zuweisung aufkommen. Ebenso die schräg angeschnittene rechte Schulter und Brust, der keilförmige Hals, die ungewöhnlich abgestuften Schulterlaschen und die asymmetrische Form des Steines, die nicht ursprünglich sein kann, sind Hinweise auf ein Caligula Porträt das aus einem wesentlich größeren Stein herausgetrennt und überarbeitet wurde.
Claudius (?) mit Lorbeerkranz und Panzer.
H= 76 mm
2004 wurde der Kameo bei Christie’ in New York für 321,100 U.S. Dollar versteigert.
Foto: © Christie’s Images Limited 2009
Dass auf dem "Marlborough-Cameo" nicht Claudius sondern ein überarbeiteter Caligula dargestellt ist, zeigt auch dieser 37-38 n. Chr. geprägte Sesterz.
Sesterz, 37-38 n. Chr.
Vorderseite: Caligula mit Lorbeerkranz, C CAESAR AVG GERMANICVS PON M TR POT
Rückseite: Caligulas Schwestern mit Füllhörnern, AGRIPPINA DRVSILLA IVLIA SC
Foto: © CNG coins
Diese Zeichnung aus dem folgenden "Valeria Messalina ?" Kapitel, dient hier als eine mögliche Erklärung für die weit abstehende, sekundäre Kranzschleife und die anderen Unregelmäßigkeiten am "Marlborough-Cameo". Die ursprüngliche Kranzschleife war wahrscheinlich beschädigt und wurde entfernt und die jetzige, aus den Resten des Füllhorns, neu gestaltet. Der keilförmige Hals ist auf die Überarbeitungen im Bereich der ursprünglichen Kranzschleife zurückzuführen.
Wenn man mit dem Cursor über das Bild fährt, erscheint ein Bild des Caligula so wie
er auf dem "Marlborough- Cameo" dargestellt ist.
( Wird nicht angezeigt wenn im Webbrowser
Java-Skript bzw. ActiveX deaktiviert ist !! )
Auch der große, sehr fein gravierte Kameo in der Royal Collection in Windsor-Castle, mit einem Porträt das Claudius darstellen soll, stammt nicht aus der Regierungszeit von Kaiser Claudius. Der große, aus mehreren Lagen bestehende weiß-braune Stein ( 20,5 x 16 cm mit Fassung), ist mit einem Randornament (Eierstab) versehen, das dem Randornament des Adler-Kameos in Wien ähnlich ist. (3).
Die dargestellte Person ist mit Panzer, Tunika, Mantel, Feldherrenbinde, Schwert, Lorbeerkranz und geschulteter Lanze ausgestattet. Die Aegis ist mit dem Gorgoneion und Blitzbündeln geschmückt. Atribute wie Feldherrenbinde und Schwert findet man auch beim Abbild des Germanicus auf der Gemma Augustea.
Berücksichtigt man, die für Claudius untypischen langen Nackenhaare und das große Ohr, so denkt man eher an seinen Bruder Germanicus oder an den Vater der beiden, Drusus maior. Die zurückspringende, für die julisch-claudische Familie untypische Oberlippe dürfte auf eine Überarbeitung zurückzuführen sein.
Vergleicht man die Gemma Claudia mit der Gravur in Windsor-Castle, so ist es offensichtlich, dass beide Stücke aus der gleichen Werkstatt stammen. Da es nach 49 n. Chr., was die Überarbeitungsspuren an der Gemma Claudia belegen, keinen Graveur mehr gab der Kameen in dieser Qualität fertigen konnte, reicht das Zeitfenster in der dieses Porträt entstanden ist, maximal bis zu diesem Datum.
Es spricht jedoch alles gegen eine Datierung in die claudische Zeit. Da die Ägis erst ab Claudius auf Porträts zum Standard der kaiserlichen Kleidung wird, der Kameo jedoch älter ist muss es sich bei dem Dargestellten nicht zwingend um einen Kaiser handeln. Die Ägis ist hier auch nicht als seperates Objekt dargestellt – sie ist integraler Bestandteil des Panzers.
Es spricht demnach alles für eine posthume Bildnisehrung in tiberischer oder caliguläischer Zeit. Die Unterschiede in der Schnitttechnik und der Steinart zu dem Germanicus Porträt auf der Gemma Claudia sind minimal. Auch sind beide mit angehobenem Kinn und nach oben gerichtetem Auge dargestellt – ein Hinweis auf die Verherrlichung bzw. Apotheose der dargestellten Personen.
Das qualitätsvolle Porträt in der Royal Collection in Windsor-Castle zeigt nicht wie bislang angenommen Claudius, der auf allen Bildnissen fast immer mit eingefallenen Wangen und fliehendem Kinn dargestellt wird, sondern seinen mit straffen Gesichtszügen ausgestatteten Vater Drusus maior. Übereinstimmungen gibt es auch mit der Panzerstatue in Rom, Musei Vaticani, Museo Gregoriano Profano. Inv.-Nr. 9963, sie zeigt Drusus maior mit der gleichen Frisur und der fast gleichen Bekleidung, die er auch auf dem Kameo trägt.
Panzerstatue des Drusus maior in in Rom,
Musei Vaticani, Museo Gregoriano Profano. Porträt des Drusus maior
Foto: Beazley Archive, Oxford
Der Porträt-Kopf in Windsor-Castle neben dem
Germanicus Porträt auf der Gemma Claudia.
Beide Steine könnten aus der gleichen Werkstatt, eventuell sogar aus der gleichen Hand stammen.
Abguss des Glaskameos in Wien neben dem Porträt in Windsor-Castle. Dass hier die gleiche Person dargestellt ist ist offensichtlich.
Einige Gemeinsankeiten mit dem qualitätvollen Porträt in Windsor-Castle, zeigt auch der früher (3 a) entstandene türkisblaue Glaskameo, mit einer Signatur des Heróphilos, im Kunsthistorischen Museum in Wien (Inv. Nr. IXa 30).
Das Profil der Gesichter ist fast deckungsgleich. Auch die Stirn- und Schläfenhaare haben Gemeinsamkeiten. Megow erkennt in der Person der Wiener Glaspaste — den Germanicus, Zwierlein-Diehl — den Drusus maior (4)
Große Unterschiede gibt es besonders bei den Haaren. Die Eleganz der feingeschnitten Locken am Porträt in Windsor-Castle wird von dem mit Heróphilos signierten Kameo in Wien nicht erreicht. Hier sind die einzelnen Haarsträhnen, der meist dreifach unterteilten Locken, abgerundet und verlaufen fast parallel nebeneinander (Spagettistil).Noch stärker ausgeprägt ist dieser "Spagettistil" an dem Fragment eines Kameos in Wien, das wahrscheinlich ebenfalls Drusus maior darstellt (Inv. Nr. ANSA IXa 61) . Der große vierlagige Stein 13,8 cm x 7,8 cm, entspricht farblich — lediglich die weiße Lage ist heller — dem ebenfalls vierlagigen Porträt-Kopf in Windsor-Castle.
Caligula ? Wien, Inv. Nr. IXa 61 Heróphilos-Kameo Wien, Inv. Nr. IXa 30
Eine ähnliche Frisur findet man an einem qualitätvollen Bronze Kopf der in Herculaneum gefunden wurde und ca. 50 v. Chr. entstanden ist. Es besteht der Verdacht, dass Heróphilos sich an diesen außergewöhnlichen Frisurstil angelehnt hat
_______________________
Caligula oder Drusus Maior ?
Foto: © Kunsthistorisches Museum, Wien
Inv. Nr. IXa 61
Ursprünglich handelte es sich auch hier wieder um ein Doppelporträt das durchtrennt und überarbeitet wurde. Die Ranken auf den Schulterlaschen entsprechen denen auf den Schulterlaschen des Porträtkopfes in Windsor-Castle. Auch hier ist die Ägis nicht als seperates Objekt dargestellt, sie ist in den Panzer integriert.
Ein weiterer Kameo, der aus claudischer Zeit stammen soll, ist dieses Fragment im Pariser Cabinett des Médailles, Valeria Messalina (um *25 n. Chr., †48 n. Chr.), die dritte Frau des römischen Kaisers Claudius mit ihren Kindern Octavia und Britannicus.
Messalina (?)
(überarbeitetes Fragment)
67 x 53 mm (ohne Fassung).
Seit Jahrhunderten wird diese Kamee, mit dem ergänzten Kinderköpfchen, mit Messalina und ihren Kindern verbunden. Auf diesem Fragment im Pariser Cabinett des Médailles ist jedoch Drusilla dargestellt, mit der gleichen tiefgebrannten Rippenfrisur wie sie Drusilla - vor der Überarbeitung - auf der Kamee trug, die heute den Namen „Gemma Claudia“ trägt.
Das Haar ist in der Mitte gescheitelt und wird von dort aus in Wellen zu den Seiten geführt, hinter den entblößten Ohren eingerollt und ist zu einer Nackenschlaufe gebunden. Die Ringellöckchen, welche die Stirn umrahmen, enden in einer Ansammlung von kleinen Löckchen, einer Löckchentraube, vor dem Ohr. Der Kranz wird von einer geknoteten Wollbinde zusammengehalten. Mund, Nase und das hochgezogene Kinn entsprechen der Drusilla auf der Gemma Claudia. Die Profile der Gesichter sind deckungsgleich, die physiognomischen Gemeinsamkeiten sind unverkennbar, wobei besonders das sehr kurze Philtrum die Gesichter prägt. Diesen sehr kurzen Abstand zwischen Amorbogen und Nasenunterkante findet man, wie bereits erwähnt, auch auf anderen Abbildungen der Drusilla. W. R. Megow, der in der Prinzessin auch Drusilla erkennt, hat sicherlich Recht wenn er schreibt: Für die so selbstverständlich angenommene Messalinadeutung fehlt jedenfalls jegliche Grundlage (5).
Der Stein ist stark beschnitten und wurde im 17. Jahrhundert — leicht nach hinten gekippt — neu eingefasst. Dieser dadurch leicht erhobene Kopf veranlasste Megow dazu, von einer "divinisierten Drusilla" zu sprechen. Ursprünglich zeigte der Kameo als gegenübergestelltes Büstenpaar, wahrscheinlich Caligula und seine Lieblingsschwester Drusilla, eingerahmt mit am Steinrand hochgezogenen Füllhörnern.
Die erhaltenen Teile dieser Gravur lassen sich nicht mit einer ansprechenden äußeren Form in Einklang bringen, besonders wenn man bedenkt, dass vorne, rechts oben und rechts unten Teile aus rotbraunem Email in den Hintergrund eingesetzt wurden um eine einigermaßen symmetrische Basis für die Fassung zu konstruieren (auf der Rückseite wurde weißes Email benutzt). Rechnet man jetzt noch ein, dass das Füllhorn, dessen Blattmanschette, Knauf und Spitze auch neu gestaltet wurden, ursprünglich wesentlich kräftiger war, ein Drittel der ursprünglichen Masse wurde abgeschnitten, so könnte der erhaltene Teil der Gravur einem halben querliegenden Oval entsprochen haben. Aus dieser Form des Fragments lässt sich nun, als einzig sinnvolle Möglichkeit, eine antihetische Anordnung (capita opposita) von zwei Köpfen mit zwei Füllhörnern in einem querliegenden Oval oder Stumpfeck ableiten, in Anlehnung etwa an die Form der Gemma Claudia. (Diese Form wurde 1999 auch von Susan E. Wood vorgeschlagen (6).) Eventuell könnte es sich auch um zwei Doppelfüllhörner gehandelt haben, die sekundären Einschnitte zwischen Füllhornkörper und Schulter der Drusilla deuten darauf hin.
Betrachtet man jetzt die Rückseite der Kamee, so ist eindeutig zu erkennen, dass der ursprünglich doppelt so große Stein in der Mitte gezielt durchtrennt wurde. Die Rückseite des erhaltenen Fragment wurde komplett überschliffen, wie ein Cabochon abgerundet und hochglanzpoliert - eine Oberfläche, die bei antiken Kameen so nie vorkommt.
A: Die Schnittkante. Ein Drittel der ursprünglichen Masse des Füllhorns wurde abgeschnitten.
B: Teile der Weintraube wurden abgetrennt, um sie nach der Überarbeitung des Füllhorns wieder mittig zu platzieren.
C: Diese Ranke ist nicht ursprünglich.
D: Deutlich sind die groben sekundären Einschnitte zwischen dem Füllhornkörper und der Schulter der Drusilla zu erkennen. Die Einschnitte reichen bis zur Kranzschleife, die teilweise abgetrennt wurde. Die Wollbinde ist durch Überarbeitung entstanden..
E: In dem schraffierten Bereich wurden Teile der Gravur entfernt.
F:: Da man das Gewand weder als Chiton, Mantel, oder Palludamentum, wie von Boschung (6.1) vorgeschlagen, bezeichnen kann, besteht kein Zweifel, dieser Korpus ist im Zuge der Überarbeitungen im 17.Jh. entstanden.
Die Rückseite der Kamee. Gut sichtbar, die Einlagen aus weißem Email.
Nicht nur der Aufbau der Gravur lässt vermuten, dass die Gemma Claudia hier als Vorbild genommen wurde, sondern auch die dünne, in hohem Relief geschnittene Ranke, deren Teile sich auf dem Füllhornkörper zu Blüten einrollen und im gleichem Stil geschnitten sind wie die Rosettenranken auf den Füllhornkörpern der Gemma Claudia. Dass dieser Stein nicht aus der selben Werkstatt kommt wie die Gemma Claudia ist offensichtlich — die qualitativen Unterschiede sind erheblich.
Mit der Gemma Claudia dürfte eine Ära zu Ende gegangen sein, welche in der Tradition der besten griechischen Steinschneiderschulen stand und künstlerische Qualität an erste Stelle setzte.
Die ursprüngliche Form ?
1894 beschreibt Babelon die Kamee als das Porträt einer Frau mit zwei Kindern:
Die Büste von Messalina zwischen zwei Füllhörnern, aus denen ihre Kinder herausschauen ist eine entzückende Gruppe, deren perlmuttweißer Farbton sich von dem rötlichen Hintergrund abhebt.
Stich nach der Zeichnung von Peter Paul Rubens
Ein weiterer Grund warum die asymmetrische Form nicht hinterfragt wurde, dürfte
der Stich nach der Zeichnung von Peter Paul Rubens sein, der sich im Amsterdamer Rijksmuseum befindet, und die drei Personen — jetzt wunderbar ausbalanciert — in einem symmetrischen stehenden Oval darstellt. Peter Paul Rubens Zeichnungen von Kameen und die davon gefertigten Stiche sind jedoch ungenau und teilweise geschönt. Als Referenz sind sie absolut ungeeignet, was auch die Ergänzungen an seinen Zeichnungen und Stichen von der Gemma Augustea und des Grand Camèe zeigen. Aus der Rubens Zeichnung lässt sich also keineswegs ableiten, dass sich auf dem Füllhorn ursprünglich ein Mädchenköpfchen befunden hat, wie es M. Fuchs und S. E. Wood zwingend vorschlagen (7) Das Mädchenköpfchen auf dem Rubens-Stich gehört ebenso in den Bereich der Rubens`schen Phantasie wie die ergänzte Schriftrolle und die Hand des Tiberius auf dem Stich der Gemma Augustea.
Allerdings muss man eingestehen, dass es diese Konstellation, Füllhörner mit Kinderköpfen gibt. Ein 23 n. Chr. geprägter Sesterz zeigt zwei einander kreuzende Füllhörner mit den Zwillingen des Drusus minor, Tiberius Gemellus und Germanicus Gemellus. Dazwischen ein geflügelter Mercurstab (griechisch: Kerykeion), der zusammen mit den Füllhörnern Wohlstand und Glück verheißt.
Sesterz,
Vorderseite
Füllhörner mit den Zwillingen
Tiberius Gemellus und Germanicus Gemellus
A: Am Kopf der Drusilla ist unter der weißen Lage die braun gefärbte Zwischenschicht gut erkennbar.
B: Im Bereich der Mittelbüste ist die selbe Schicht jedoch grau geblieben (Einschnitt am Hals). Ein eindeutiger Beleg für Überarbeitungen in diesem Bereich. 7a
C: Der Helmbusch ist sekundär. Ein Schild, wie von Rubens gezeichnet, ist auch nicht vorhanden. Die Benennung der Mittelbüste als Dea Roma ist demnach nicht gesichert.
D: Die grau gebliebene Schnittkante ( 90° zum Hintergrund). Der schraffierte Bereich im Hintergrund ist mit braunem Email gefüllt.
E: In dem schraffierten Bereich wurden Teile der Gravur entfernt.
Die Schnittkante an der Mittelbüste.
Da die Frisur dieses Kopfes weder zu Augustus noch zu Claudius passt, könnte es sich auch bei diesem Divus-Fragment um ein Porträt von Caligula handeln, denn Caligula hatte die consecratio bereits zu Lebzeiten eigenhändig umgesetzt.
Gemma Claudia (Ausschnitt um 180 ° gedreht)
Auch bei der Kamee "Kopf mit Strahlendiadem über einem Füllhorn" diente die Gemma Claudia
als Vorbild, was die Anordnung von Ähren, Mohnkapseln und Granatäpfeln zeigt.
Caligula mit Strahlenkrone als Helios, AE aus Magnesia am Sipylos, Lydien. 37-41 n.Chr..
GAION KAISARA CEBACTON.
Foto: © CNG/ Joe Geranio
Dass Caligula, der sich als Gott verehren lies, sich anscheinend tatsächlich für einen Gott hielt, zeigt ein Satz in einem Bericht von Philon von Alexandria, dem bedeutendsten Denker des hellenistischen Judentums, der im Jahr 39/40 n. Chr. an der Gesandtschaft der alexandrinischen Juden zu Kaiser Caligula teilnahm :
"Gaius [ (Caligula) .....], der nicht nur sagte, sondern glaubte, dass er ein Gott sei,".
Dass dem so war zeigt auch dieses Kameofragment in Wien, hier sitzt die Göttin Roma nicht auf der Ehrenseite rechts vom Kaiser, sondern sie sitzt links vom Kaiser — Caligula selbst beansprucht den Ehrenplatz. Er ist hier höherrangig als die Göttin dargestellt.
Calligula mit Füllhörnern neben Roma ( überarbeitetes Fragment )
Kunsthistorisches Museum, Wien
Inv. Nr. IXa 59
_________________
Paris Wien Stuttgart
67 x 53 mm 55 x 48 mm 61 x 41 mm
Neben der "Messalina" Kamee in Paris, gibt es noch zwei weitere Fragmente, eines im KHM in Wien und eines im Landesmuseum Stuttgart, die wahrscheinlich ebenfalls aus Doppelportäts mit Füllhörnern herausgetrennt und überarbeitet wurden. Die Reste der Füllhörner wurden entfernt und die Rippenfrisuren wurden überarbeitet.
Bei dem Wiener Kameo hat sich von der ursprünglichen Frisur noch der tiefe Einschnitt innerhalb der überarbeiteten Zopfschlaufe erhalten. Dass die jetzige ovale Steinform nicht die ursprüngliche war, zeigt die Rückseite des Steines, die Steinkannte ist nicht abgeschrägt — es fehlt die Fase .
Die als Kranzschleife dienende geknotete Wollbinde bei dem überarbeiteten Stuttgarter Kameo, ein Ende strebt vertikal nach oben, wurde wahrscheinlich aus der Füllung des ursprünglich in diesem Bereich vorhandenen Füllhorns oder der Füllhörner neu gestaltet.
________________
(Fotomontage)
Die stilistische Ähnlichkeit mit dem Gesicht des Claudius auf der Pariser Kamee und dem Gesicht der Drusilla auf der überarbeiteten Stuttgarter Kamee — die aus caliguläischer Zeit stammt — ist nicht zu übersehen. Die Preziosen stammen wohl aus einer Steinschneider-Werkstatt, die für Caligula und später auch für Claudius arbeitete.
Drusilla
107 x 85 mm
Foto: © Trustees of the British Museum
Auch dieses sehr große Fragment eines pummeligen Drusillakopfes in London, könnte aus der gleichen Werkstatt stammen wie der Kopf der Drusilla in Stuttgart und der Kopf des Claudius in Paris.
______________
Agrippina Minor ?
Löckchenfrisur und Schulterlocken lassen vermuten, dass auf diesem Stein Agrippina Minor dargestellt ist. Wegen der anders gestalteten, etwas lockeren Frisur, dürfte dieser Stein der ebenfalls aus der gleichen Werkstatt stammt, in claudischer Zeit graviert worden sein. Diese immer noch kappenartige Frisur unterscheidet sich doch schon sehr von der erstarrten, perückenartig wirkenden Frisur mit eingesenken Wellenrücken der caliguläischen Zeit, so wie sie auf dem Fragment des pummeligen Drusillakopfes in London zu sehen ist. Die in Ephesus geprägte Münze der Agrippina minor zeigt erstaunliche Übereinstimmungen mit der Gravur.
Rothschild Kameo
Slg. Rothschild, Paris
Auch der Rothschild-Kameo, nach seinem jetzigen Besitzer benannt, stammt aus caliguläischer Zeit. Mit einem Durchmesser von ca. 16 cm zeigt er die nebeneinander gestaffelten Büsten eines Herrscherpaares. Im 4. Jahrhundert n. Chr. wurde der in mehrere Teile zerbrochene Kameo wahrscheinlich wieder zusammengekittet, verlorengegangene Bruchstücke wurden ersetzt und die ursprüngliche Komposition wurde in ein Herrscherpaar umgearbeitet das sich nicht eindeutig identifizieren lässt; ob es sich um Constantinus II und seine Frau oder Honorius und Maria handelt ist nicht sicher zu entscheiden. Die Urfassung zeigte jedoch Caligula und seine Lieblingsschwester Drusilla, diese wahrscheinlich mit über den Hinterkopf gezogenem Mantel. Die Frauenfrisur stammt aus der caliguläischen Zeit und entspricht der Frisur, die Drusilla auch auf dem Pariser-Fragment mit Füllhorn, dem Bostoner Stein und der kleinen freiplastischen Büste in London trägt — und vor der Umarbeitung auch auf der Gemma Claudia trug; Typus Schloß Fasanerie-Formia (8) .
Die Frisur, welche sie auf dem Rotschildkameo trägt, wurde zur Scheitelzopf-Frisur umgearbeitet. Die Überarbeitung ist offensichtlich, denn der Zopf überlappt nun unsinnigerweise den Lorbeerkranz. Der unterhalb der Ohren sichtbare Haarbausch wurde wahrscheinlich aus dem abgeschnittenen Mantel neu gestaltet. Teile des Mantels liegen noch über der Tunika auf der linken Schulter. Während Drusillas Gesicht von Überarbeitungen verschont blieb, wurde das Untergesicht Caligulas komplett überarbeitet und fast auf die Höhe des Halses heruntergedrückt, wobei die Augenpartie noch oben, in Richtung Stirn, verschoben wurde. Die großen abstehenden, sehr fein ausgearbeiteten Ohren befinden sich noch im ursprünglichen Zustand. Auch Caligulas Vater, Germanicus, wurde von der Natur mit diesen Ohren ausgestattet, sein Porträt auf der Gemma Augustea zeigt verblüffende Übereinstimmungen in der Kopfform, ebenso der Caligula Kopf auf dem kleinen Kameo in Boston und New York.
Rechts, das Germanicus Portät auf der Gemma Augustea
Caligula
New York, Metropolitan Museum, H= 4,3 cm
Inv. Nr. 11. 195. 7
Caligula und Drusilla
4.3 x 4.8 cm
(Zeichnung nach der Kamee in Boston)
Ein Foto von der Kamee gibt es hier
Museum of Fine Arts, Boston
Drusilla
Freiplastische Büste 9,0 x 5,45 cm. Typus Schloß Fasanerie- Formia
London, Britisches Museum
Foto: © Trustees of the British Museum
An einer Überarbeitung besteht kein Zweifel, Überarbeitungsspuren, die auf eine Umwidmung bereits in claudischer Zeit hindeuten, sind jedoch nicht zu erkennen. Publiziert wurde der relativ unbekannte Kameo erstmals 1927 von S. Reinach. Siri Sande erkannte 2001 in dem Paar Claudius und Agrippina minor (9) .
__________
Laut dem Geschichtsschreiber Cassius Dio, wurde die vom Senat ausgesprochene memoria damnata nur de facto ausgesprochen, weil Kaiser Claudius eine regelrechte damnatio verhinderte. Claudius lies alle Caligula Bildnisse über Nacht absammeln, wahrscheinlich um sie vor Zerstörung zu bewahren (10) . Claudius dürfte demnach auch wenig Interesse an der Vernichtung der kostbaren Kleinode gehabt haben. Es besteht die Möglichkeit, dass Agrippina minor, nach ihrer Heirat mit Claudius im Jahre 49 n. Chr. die Umwidmungen auf Kameen veranlasst haben könnte. Ihr aus dem Drusillaköpfchen entstandenes Abbild auf der Gemma Claudia — die ursprüngliche tiefgebrannte Rippenfrisur der caliguläischen Zeit wurde zu eine Ringellöckchenfrisur umgearbeitet — unterstützt diese These.
Die diversen noch erhaltenen Kameenfragmente zeigen, dass nach dem Tode Caligulas Doppelporträts von ihm und Drusilla nicht komplett vernichtet, sondern überarbeitet und dafür teilweise sogar gezielt durchschnitten wurden.
Die Sichtweise von Adolf Furtwängler, der in seinem bedeutenden Werk in drei Bänden,
„Die antiken Gemmen, Leipzig-Berlin 1900“ neben der Gemma Claudia auch viele andere Kameen fälschlicherweise der Regierungszeit des Claudius zuordnete (11) , wurde auch von Wolf-Rüdiger Megow übernommen. In seinem 1987 in Berlin erschienenen, reich bebilderten Buch, „Kameen von Augustus bis Alexander Severus“ schreibt er : „Die Regierungszeit des Claudius bedeutet einen Höhepunkt im kaiserzeitlichen Kameenschnitt. Dieses seit Furtwängler feststehende Ergebnis ist heute noch in ganzem Umfang gültig“ (12) . Dies ist so jedoch nicht richtig.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Kunst der Kameengravur unter Kaiser Claudius sich überwiegend auf Überarbeitungen caliguläischer Kameen beschränkte. Hochwertige Werke, in der Qualität einer Gemma Claudia, wurden nicht mehr gefertigt. Die claudische Kameenkunst erreichte nicht mehr die Qualität der caliguläischen und war sicherlich kein Höhepunkt im kaiserzeitlichen Kameenschnitt. Wie gering das Interesse von Claudius an Gemmen war berichtet auch Plinius, er erwähnt, dass man unter Claudius die bisher zum Siegeln gebräuchlichen Gemmen verschmähte und stattdessen mit Goldringen siegelte (13) . Ein Beleg für den Stilwandel in der Kunst unter Claudius.
Da weder die Gemma Claudia, noch der große Kameo in Windsor-Castle in der Regierungszeit von Kaiser Claudius entstanden sind, und schon längst feststeht, dass weder der Kameo Gonzaga, der Grand Camée noch der große Adlerkameo in Wien aus claudischer Zeit stammen, muss man die claudische Kameenkunst als eher unbedeutend bezeichnen.
Gerhard Schmidt
November
2009
<<< zurück zu gemmarius-sculptor
Kaiser Caligula, der dritte regierende Kaiser der julisch-claudischen Dynastie, trat
25-jährig die Nachfolge des Tiberius an. Nach vierjähriger Regierungszeit wurde er 41 n. Chr. ermordet und seine Bildnisse wurden gestürzt - zum ersten Mal wurde das Andenken an einen Kaiser auf diese Weise geschändet.
Sein Name wurde aus Inschriften getilgt, Münzen mit seinem Bildnis überstempelt oder eingeschmolzen und viele der noch vorhandenen Porträts in solche seines Nachfolgers Claudius umgearbeitet.
(2 a)
G. Platz-Horster, Mythos und Macht (Berlin 2008) 24–28, 86 Abb. 5–7.
(2 b)
W.R.Megow. Kameen von Augustus bis Alexander Severus. 1987
(2 c)
Marie-LouiseVollenweider,
Mathilde Aviseau-Brustet. Le Portaits romains du Cabinet des médailles,
Paris 2003
(3)
E. Zwierlein-Diehl,
Magie der Steine, Kunsthistorisches Museum, Wien 2008, 84 - 91, 254 - 258.
(3 a)
E. Zwierlein-Diehl,
Magie der Steine, Kunsthistorisches Museum, Wien 2008, 134, ca. 20 n. Chr..
(5)
W.R.Megow. Kameen von Augustus bis Alexander Severus. 1987
(6)
Susan E. Wood,
Imperial Women,
A study in public images 40 B.C. -
A. D. 68
1999
(6.1)
D. Boschung, „Die Bildnistypen der julisch-claudischen Kaiserfamilie“, JRA 6, 1993, 72
(7)
M.Fuchs. Die Frauen um Caligula und Claudius: Milonia Caesonia, Drusilla und Messalina.
1990
S.E.Wood. Imperial Woman, 1999, 305-306
(7a)
L.Giuliani, G.Schmidt.
Ein Geschenk für den Kaiser,Das Geheimnis des Großen Kameo,
München 2010,
S. 86, Das Färben der Achate.
(8)
Karin Polaschek, Studien zu einem Frauenkopf im Landesmuseum Trier und zur Haartracht der julisch-claudischen Zeit. 1972, 200-210