19. und 20. Jahrhundert n. Chr.

 


Mädchenkopf

 

Julius Schmidt ( 1831-1902), der 1845 zusammen mit dem aus Idar stammenden Carl Veeck (1831-1920) nach Paris geht und dort bei Lemand in 4jähriger Lehrzeit den Kameenschnitt in Stein und Muschel erlernte, war einer der Ersten, der in der damals noch zum Fürstentum Oldenburg gehörenden Exklave Birkenfeld, zu der auch die Städtchen Idar und Oberstein gehörten, nach seiner Rückkehr Anfang der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts mit dem Kameenschnitt begann (1). Die erste schriftliche Überlieferung, in der ein Graveur im Fürstentum Birkenfeld erwähnt wird, ist der Eintrag in das Register der Gewerbetreibenden vom 7.12.1855; unter der Nummer 1291 wird der 29 Jahre alte Jakob Wild zum selbstständigen Betrieb des Graveur-Gewerbes  berechtigt. In den Anfangsjahren beschäftigen sich nur wenige mit dem Steinschnitt,1864 wurden in Idar und Oberstein und in den umliegenden Dörfern 54 selbstständige Graveure gezählt, 1867 waren es 65. (1a)
 

Muschelkamee von Carl Veeck (1831-1920)
 
 


Jakob Wild (1826-1882)

(Gottliebs Wild, Graveur Wild oder Jakob Wild der 11te.)

Kamee von Jakob Wild ca. 1860

 

 

Der Gemmenschneider Wilhelm Schmidt aus Idar, der im Pariser Atelier von Louis Purper — seinem Vetter — zusammen mit anderen Idarern und 6 Franzosen arbeitete, nennt in einem Brief an Alfred Hahn einige Graveure, die mit ihm in Paris waren:
Wilhelm Leyser ( 1843 - 97 ), Charles Wild (1841- 1919) — der Schwager von Wilhelm Leyser, Karl und Philipp Hahn — beide arbeiteten bei Paul Lebas, die Brüder Carl, Julius und Louis Caesar, Jacob Wild, der Vetter von Charles Wild, die beide bei Georg Weißmüller lernten und später im Atelier von Luigi Michelini arbeiteten, Carl Molter, Goßert und Fritz Heydt.

Queen Victoria
Muschel-Kamee von Paul Lebas, Paris.


Photo © Victoria and Albert Museum, London

 



Wilhelm Leyser und seine Frau Wilhelmine Leyser.

Wilhelmine mit
Brautschmuck.

 

Brosche:
Steingröße 27 x 23 mm
"Hebe tränkt Jupiter in Adlergestalt
"

Ohrgehänge:
Steingröße 16 x13 mm

"Mädchenkopf"

Der von Wilhelm Leyser in Paris für seine Frau Wilhelmine gefertigte Brautschmuck aus rot-weißem Lagenachat.

 

  Wilhelm Leyser
Intaglio
  "Venus"
80 x 40 mm
 

          


 Wilhelm Leyser     
 Links: "Frauenkopf " 20 mm.      Mitte: "Hebe" 36 x 12 mm.    Rechts :  "Eros und Psyche" 22 x 15 mm

 


 Wilhelm Leyser     
 "Brosche mit Frauenkopf" Stein: 15 x 12 mm. 

 

 
Schattierung aus Lagenachat .
Porträt von Wilhelm Leyser ?



Graviert wurde der Stein wahrscheinlich von C.Wild XIII der hervorragende Schattierungen aus Lagenachat fertigte. Eine weitere Spezialität waren seine von der Rückseite mit Ölfarben ausgemalten Bergkristall-Gravuren .

     

Schattierungen aus Lagenachat

 

 

      

Ausgemalte Bergkristall- Gravuren

C.Wild XIII.    

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Charles Wild "Neveu" 1911
(1841- 1919)




 Charles Wild "Neveu"  
  "Mädchenkopf"  
20 x 20 mm

 

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Wilhelm Schmidt (1845-1938), Sohn des Idarer Pfarrers Ludwig Carl Christian Schmidt, ging 1860 als 15jähriger nach Paris und kehrte 1869 nach Idar zurück. Er wanderte in den 70er Jahren nach England aus, wo er erfolgreich als Kameenschneider arbeitete. 1916 zog er für 11 Jahre nach New York, 1927 kehrte er wieder nach London zurück wo er 1938 im Alter von 93 Jahren verstarb.
      

Wilhelm Schmidt
(1845-1938)

          
                         

Wilhelm Schmidt

Mitte: Brosche: Demantoid, Granate, Diamanten, 18k Gold und Platin. Gravur aus Opal von W. Schmidt :
Phoebe, Wellen und eine aufgehende Sonne mit einem Diamanten.

Links: Boulder-Opal, Mondgöttin Phoebe, Mond, Wellen und eine untergehende Sonne.

Rechts: Schmidt´s Vorlage, die Mondgöttin Phoebe (griechisch Phoebe = die Leuchtende).


Der erste aus unserer Gegend, der auf Veranlassung von Philipp Falz, einem Edelsteinhändler aus Idar, nach Paris ging, um dort den Beruf des Kameengraveurs zu erlernen, war Georg Joseph Weißmüller (1811-1851). Er stammte aus dem kleinen zu Preußen gehörenden Ort Bruchweiler; Weißmüller ist leider nicht mehr in seine alte Heimat zurückgekommen, er verstarb bereits 1851 in Paris (2). Auch August Wild (1814-1896) war in Paris, ebenfalls bei Michellini; Johann Philipp Böhm (1822-1899), der über Brüssel nach Paris kam, bildete in den 70er Jahren, nach seiner Rückkehr nach Oberstein eine Unzahl von Lehrlingen heran, die später in der Produktion der sogenannten „Tausendbrüder und Millionschwestern“ beschäftigt waren (3). Georg Schulz (1842-1921) aus Birkenfeld ging erst 1868 nach Paris. Der ehemalige Direktor der Idarer Fachschule, Julius Svensson, beschreibt ihn als „ der tüchtigste Graveur jener Zeit“; leider musste er seinen gelernten Beruf mangels Nachfrage aufgeben und als Fotograf seinen Lebensunterhalt verdienen. Ein von ihm 1911 gemachtes Foto von seinen ehemaligen Kollegen und Weggefährten ist noch erhalten. 
 


Carl Voigt, Charles Wild ?, Adolf Rassweiler, Julius Brill,
Carl Wild XIII, August Gass ?, Georg Schulz ?,  ?.
(v. l. n. r.)

 

Als der Deutsch-Französische Krieg von 1870–1871 dazu führte, dass alle deutschen Graveure aus Frankreich ausgewiesen wurden und nach Idar-Oberstein zurückkehrten, begannen die goldenen Jahre der Graveure in Idar-Oberstein. Der Stadtanzeiger schreibt dazu im August 1938 unter der Überschrift „Der Herr Graveur“: „Ich meine damit nicht die „Bliemchesmacher“ oder die Leute die an der Drehbank Runen in die Steine schnitten, die schon lange hier tätig waren, sondern die richtigen Gemmenschneider, denen Montmartreluft um die Nasen geweht, die wenn sie auch nicht alle Künstler waren, sich doch als Künstler fühlten. Sie gaben der Stadt Idar in den Jahren 1860-1880 das Gepräge. Sie waren Kulturträger, die das Humorvoll-Besinnliche, das Derb-Bodenständige des alten Idarers, der bereits ein bis zwei Menschenalter mit der Welt in Verbindung gestanden, mit dem leicht beschwingten Rhythmus des Pariser Lebens, des Pariser Künstlerlebens in sich vereinigten. Die in ihrem angeborenen Schönheitssinn Pariser Kunst, besonders Musik, in sich aufnahmen und in`s Heimatstädtchen mitbrachten, dadurch eine Atmosphäre schaffend, in der Kleinstadtluft mit Großstadterinnerungen, Bodenständigkeit mit Arbeitsfreude, Unternehmungsgeist und Lebenslust in glücklicher Harmonie vereint waren...“

 

1875 wurden 190 selbstständige Graveure gezählt. 1880 waren es bereits 235 plus 90 Gehilfen.  Das Ergebnis dieses Aufschwungs war abzusehen: Dutzend- und grosweiße produzierte Kameen und Intaglien in einfachster Ausführung - Tausendbrüder und Millionenschwestern - überschwemmten den Markt. Mit den Preisen verfiel auch die künstlerische Qualität. Die Pariser Konkurrenz hatte die Produktion von kleinen preiswerten Kameen schon längst eingestellt - 1890 waren auch fast alle Idar-Obersteiner Steingraveure arbeitslos. Erst 1906 besserte sich die Auftragslage wieder. Der Stadtanzeiger schreibt dazu in dem bereits erwähnten Artikel von 1938: „...Ein neuer Aufschwung kam wieder 1905-06, und seitdem ist es den Graveuren im allgemeinen wieder gut gegangen. Der alte Charme der über der Stadt lag, hat sich aber verflüchtigt. Die Graveure sind heute im allgemeinen solide Handwerker, die hauszuhalten verstehen mit dem Verdienst ihrer Hände Arbeit...“
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es nur noch wenige, die sich in Idar-Oberstein dem Kameenschnitt widmeten, die meisten Gemmenschneider hatten sich - mangels Nachfrage - auf das Schneiden von Wappen und Monogrammen verlegt. Zu den wenigen Kameenschneidern dieser Zeit, die in der Beherrschung der Technik ganz Hervorragendes leisteten, gehören Otto Minn (1896-1958), Carl August Schmelzer (1882- 1955), Paul Krieger (1903-2000) und der wohl Bedeutendste, August Rudolf Wild (1891-1956) (4).
 
                         
Mädchenkopf, Lagenachat.                                                                                 Mädchenkopf, Onyx
August Rudolf  Wild                                                                                            Paul Krieger
 
 
 
Gemmenschneider, die sich auch im 21. Jahrhundert noch mit Hingabe dem Kameenschnitt widmen – so wie einst ihre Kollegen im ptolemäischen Alexandria des 3. Jahrhunderts v. Chr. –, findet man heute nur noch in meiner Heimatstadt Idar-Oberstein. Der Kreis derer, die sich für zeitgenössische Gemmen interessieren, ist klein geworden; 2300 Jahre nach der Erfindung der erhabenen Steingravur durch die Ptolemäer gibt es deshalb nur noch wenige Künstler, die in der Lage sind, diese kleinen Kunstwerke nach eigenem Entwurf zu fertigen. Diese Hand voll Unentwegter lässt jedoch hoffen, dass einer der ältesten Berufe der Menschheit trotz aller Höhen und Tiefen, die er immer wieder im Verlauf der 7000-jährigen Geschichte der Glyptik erlebt hat, nicht aussterben, sondern in der Zukunft wieder zu neuer Blüte gelangen wird.
Gerhard Schmidt 
2009
 
 
 
  
 Geburt eines Sterns
163 mm x 136 mm
Lagenachat
2007
G. Schmidt
 
 
1.   Gustav E. Pazaurek: Kunstgläser der Gegenwart, Leipzig  1925

1 a. G. Lange: Die Geschichte der Achatindustrie, Kreuznach 1868, S.100
2.   Dieter Jerusalem: Die ersten Idar-Obersteiner Edelsteingraveure, in: Birkenfelder Heimatkalender, 2006
3.    Dutzend- und grosweiße produzierte Kameen und Intaglien in einfachster Ausführung
4.    www.august-wild.de

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                                     http://www.gemmarius-sculptor.de

© Gerhard Schmidt 2009