5. bis 1. Jahrhundert v. Chr.

 



Hellenistische Glyptik


Die hellenistische Epoche, in die auch die Zeit Alexander des Großen fällt, dauerte vom Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. bis zur Einverleibung Ägyptens - des letzten hellenistischen Reiches - in das Römische Reich 30 v. Chr.
Der Begriff Hellenismus ‚Griechentum‘ bezeichnet in der Glyptik die geschichtliche Epoche, in der die alten Formen der Gemmen langsam verschwinden. Skarabäus und Skarabäoid sind gegen Ende dieser Epoche nicht mehr anzutreffen. Jetzt werden stark konvexe Steine bevorzugt und in Ringe gefasst. Oft werden die durchscheinenden Steine auf der Rückseite konkav geschliffen was die Gravur plastischer erscheinen lasst. Granat und Hyazinth mit ihren leuchtenden Farben sind beliebt.

In dieser Epoche beginnt auch die Kunst des Kameenschnitts. Kameen aus mehrschichtigen Lagenachaten wurden wahrscheinlich im ptolemäischen Alexandria des 3. Jahrhunderts v. Chr. erfunden. Die schönsten antiken Kameen stammen aus dieser Zeit – farbenprächtige, feinst ausgearbeitete Kameen in einer atemberaubenden Qualität.
Gemmen nennt man die durch Farbe und Glanz faszinierenden Meisterwerke der Steinschneidekunst, kleine gravierte Edelsteine, in den Stein eindringende ästhetische Kompositionen, Kunstwerke, die vom Betrachter in die Hand genommen, zum Leben erwachen. Gemmen sind eine eigenständige Gattung der Kunst, anderen Kunstformen ebenbürtig; Miniaturen auf kleinster Fläche, die in ihrer größten Länge wenige Zentimeter selten überschreiten.

 

Glyptik - Gemme - Kameo – Intaglio
Glyptik ist die Kunst des Gemmenschneidens, also das Gravieren von Edelsteinen. Der Ursprung dieses Wortes ist Griechisch. Es ist abgeleitet von glýphein - aushöhlen.
"Gemme" kommt vom lateinischen gemma, es bezeichnet sowohl den geschnitten wie den ungeschnittenen Edelstein. Dieser Oberbegriff  "Gemmen" lässt sich in "Intaglien" und "Kameen" unterteilen, wobei Intaglien für vertieft geschnittene und Kameen für erhaben geschnittene Steine steht. Im Deutschen bezeichnet das Wort "Gemme" den vertieft oder erhaben geschnittenen Edelstein. "Gemmen schneiden" heißt im Lateinischen gemmas scalpere, während gemmarius sculptor den Gemmenschneider bezeichnet.
Das Wort „Kameo“, das wohl die Kreuzfahrer nach Europa mitbrachten, findet man seit dem 13. Jahrhundert in lateinischen Texten als camaeus, camahutus oder camahelus und in französischen als gamahut, camayeul oder camaheu. Die Herkunft dieses Wortes ist unbekannt. Etymologen halten eine Ableitung von arabisch ķamâ´îl „Knospen“ für möglich, weil es dem lateinischen Wort gemmae, was „Knospen“ und „Edelsteine“ bedeutet, ähnlich ist. Die seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland üblichen Bezeichnungen Kameo (masc.) oder Kamee (fem.), sind auf die italienischen und französischen Wörter cameo und camée zurückzuführen.
Das italienische Wort "Intaglio" verwendet man ausschließlich für einen vertieft geschnittenen Stein. Intaglio ist abgeleitet von intagliare - graben oder gravieren. Die deutsche Pluralform lautet "Intaglien".
 
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   Siegelring mit Karneolintaglio
 
Die Technik des Kameenschnitts entfaltete sich in der hellenistische Epoche zur höchsten Vollendung. Prachtkameen aus Achaten mit mehrfachen Schichten ( Lagenachate) wurden gefertigt. Der „Ptolomäerkameo“, der sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet, stammt aus dieser Zeit. Er zeigt wahrscheinlich die gestaffelten Porträts des Ptolemaios II. (283-246 v. Chr.) und seiner Schwester und Gemahlin Arsinoë II.


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Ptolomäerkameo (Fragment), Kunsthistorischen Museum, Wien




Ein weiteres großes Doppelporträt aus dieser Zeit, der „Cameo Gonzaga“ (15.7 x 11.8 cm), befindet sich heute, nachdem er von Kaiser Napoleons Frau Josephine, Zar Alexander I. geschenkt wurde, in der Ermitage zu St.. Petersburg. Benannt wurde der Kameo nach seiner einstigen Besitzerin, Isabella d´Este, der Gemahlin des Herzogs von Mantua, Francesco Gonzaga.
Das bedeutenste Prunkstück dieser Epoche ist die „Tazza Farnese“ in Neapel. Eine ca. 107 v. Chr. hergestellte, beidseitig gravierte prachtvolle Schale aus Lagenachat mit einem Durchmesser von 20 cm. Auch der „Coupe de Ptolémé „ in der Nationalbibliothek in Paris, ein aus einem großen Stück Sardonyx geschnittener Kantharos, muss erwähnt werden. Gestalten aus dem Kreis der Aphrodite und des Dionysos waren zur Zeit seiner Herstellung beliebt, so ist auch die ganze Darstellung auf diesem Kantharos von dionysischer Festesfreude erfüllt - die Gravur ist überladen mit wahllos verteilten Kultgeräten und Masken, Weinranken und Trinkgefäßen.

 

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   Coupe de Ptolémé.   Nationalbibliothek, Paris
 
Neben den prächtigen Porträts und großen Prunkkameen wurden natürlich auch kleine Kameen und Intaglien gefertigt und zu Schmuck verarbeitet. Anders als die großen Staatskameen, auf die sich kein Graveur getraut hätte seinen Namen zu setzen, wurden einige dieser kleinen Steine signiert. Unter den kleinen hellenistischen Kameen ist der von Athenion signierte Kameo in Neapel der berühmteste - er zeigt Zeus im Gigantenkampf. Die Signatur ist erhaben, also auch in Kameentechnik gearbeitet. Eines der schönsten Stück dieser Zeit ist der fragmentierte  Pan-Kameo, einst in der Sammlung Strozzi in Florenz, dann im Besitz des Malers J. H. Wilhelm Tischbein. Nach seinem Tode wurde der Kameo an die Berliner Museen verkauft. Tischbein, ein Freund von Goethe, schreibt über den Kameo: Pan, der Gott des Waldes, der sich der Ziegen und Lämmer freuet, hüpfend, mit einem Weinschlauch auf der Schulter, worüber ein Leopardenfell hängt. Ihm folgen zwei muntere, springende Ziegenböcke, die er an einer Epheuranke führt... .
Porträts sind in der hellenistischen Glyptik allgegenwärtig. Die Porträts von Alexander dem Großen waren bis weit in die römische Kaiserzeit Vorbild für die Darstellung anderer Herrscher. Alexander beschäftigte - nach literarischer Überlieferung - Pyrgoteles, der als bedeutendster Gemmenschneider der Alexanderzeit genannt wird. Leider ist von ihm kein signiertes Werk erhalten.
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Alexander der Große.  Nationalbibliothek, Paris.
Kollektion, Louis XIV.

 

Etruskische Glyptik


Italien stillte in archaischer Zeit das Bedürfnis nach Gemmen durch Importe. Erst gegen Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr. begannen die kunstliebenden Etrusker, ein Volk wohl östlicher Herkunft - handwerklich hochbegabt - die Gemmen nachzuahmen.
Die Etrusker, deren Kultur zwischen 800 und 100 v. Chr. nachweisbar ist, lebten im nördlichen Mittelitalien, in Etrurien, im Raum der heutigen Regionen Toskana, Umbrien und Latium. Sie übernahmen den Skarabäus, den sie sehr fein, besser als ihre griechischen Kollegen, ausarbeiteten und hielten an dieser Form länger fest als das griechische Mutterland. Tiefroter, Karneol war der bevorzugte Stein. Da die bis jetzt gefundenen Steine ungewöhnlich eingängig in der Farbe sind, ist davon auszugehen, dass sie wahrscheinlich durch Erhitzen verschönert wurden. Die Motive sind in der Regel von einem Strichrand, später auch von einer Punktkette eingerahmt. Die Etrusker liebten die strenge Raumfüllung. Ihre Figuren, meist in gebeugter Haltung, füllen fast immer vollständig die vorhandene Fläche. Nur selten wird diese Anpassung an den Raum aufgegeben und die Figuren werden auf einen geraden Strich gestellt. Etruskische Gemmen sind nicht signiert, deshalb ist uns auch nicht ein einziger etruskischer Gemmenschneider bekannt. Die Inschriften auf etruskischen Gemmen dienten einzig und allein der Benennung der Figuren.

Der berühmteste etruskische Skarabäus ist auch einer der schönsten. Auf einer Fläche von nur 16,2 x 12,7 mm zeigt er eine hervorragend komponierte Fünfergruppe. Leider wurde der Skarabäus irgendwann einmal in zwei Teile zersägt und getrennt in zwei Goldringe gefasst. Der Käfer ist hervorragend gearbeitet, glänzend liegen Augen und Fühler auf dem gepunkteten Kopfteil. Der Prothorax, das vorderste Segment des Brustbereiches bei Insekten, ist mit einer Volutenpalmette (Spirale mit symmetrischer Abstraktion eines Palmenwipfels) geschmückt und von einem Strichband gerahmt; winzige Flügelchen sitzen auf den Flügeldecken. Auf dem von einer Punktkette eingerahmten Bildfeld sind die fünf der sieben Helden, die auszogen um Thebens Thron für Polyneikes zurückzuerobern, zu sehen. Die Namen der Protagonisten: Amphiaraos, Parthenopaios, Polyneikes, Tydeus und Adrastos der Heerführer - der den Kampf als einziger überlebte - sind in ihrer etruskischen Form eingraviert. 1755 kam dieser wunderbare Skarabäus, damals schon zersägt, in den Besitz des manischen Sammlers Baron Phillipp von Stosch, dessen Sammlung von 3444 „ pierres gravées“ nach seinem Tod von Johann Joachim Winckelmann - Stosch hatte ihn testamentarisch darum gebeten, seine Sammlung zu publizieren - katalogisiert und 1764 vom preußischen König Friedrich dem Großen erworben wurde. Die Kollektion gehört heute noch teilweise zum Bestand der Berliner Museen.

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Die fünf Helden von Theben.
Zeichnung nach der Unterseite des etruskischen Karneolskarabäus
 


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© Gerhard Schmidt 2009