Erst am Hof Karls des Großen (768-814) blühte die Kunst der Steingravur plötzlich wieder auf, verschwand jedoch erneut im 10. Jahrhundert. Deshalb ist auch die Anzahl der erhaltenen, dem Mittelalter zuzuschreibenden Steine sehr gering. 300 Jahre später, am Hof Kaiser Friedrichs II. (1194/1212-1250) und in Paris erwacht die Glyptik zu neuem Leben. In Paris ist seit dem Jahre 1259 eine Zunft der Edelstein- und Kristallschleifer ( Cristalliers et Pierriers de pierres natureus) urkundlich belegt – Ringsteine und Gefäße konnten demnach vor Ort hergestellt werden. In einer Mitgliederzählung in Jahr 1292 werden 18 Cristalliers und 13 Pierriers genannt. Zeitgenössische Steinschnitte entstanden in dieser Zeit und wurden in Siegelringe gefasst. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte sich die Glyptik in Frankreich und Italien zu höchster Blüte. In der italienischen Renaissance wurde die Antike idealisiert und schien insbesondere in ihren künstlerischen Ausdrucksformen den Zeitgenossen nachahmenswert, es wird jetzt damit begonnen, neben den alten Handschriften, auch wertvolle antike Gemmen zu sammeln. Die im 15. Jahrhundert entstandene Gemmensammlung des Lorenzo de Medici (Lorenzo il Magnifico) ist eine der bedeutendsten. Teile der Sammlung befinden sich heute in Florenz und Neapel.
Lorenzo de' Medici
1449 – 1492
Alessandro de’ Medici
1510 – 1537
Bergkristall- Intaglio von Domenico Pollo 1535
Das Gemälde von Alessandro de’ Medici befindet sich heute in den Uffizien in Florenz (5)
Karneol- Intaglio
Apollon und Marsyas
15. Jahrhundert.
Aus der Kollektion Lorenzo de' Medici
Marsyas, ein phrygischer Silen und Flußgott, Meister im Flötenspiel, forderte Apollon zum Wettstreit heraus - Apollon, gewann. Apollon, aufgrund seines Sieges, schindet darauf Marsyas .
Diese Darstellung des Marsyas, die in der Renaissance — von wohlhabenden
italienischen Familien in Auftrag gegeben — oft in Stein geschnitten wurde, findet man bereits um 435 v.Chr. auf attischen Vasen.
Auch Papst Martin V. und Papst Paul II., Kardinal Luigi Scarampi und Francesco Gonzaga waren begeisterte Sammler und Mäzene. Die Kunst und die Künstler, speziell die Gemmenschneider, wurden von ihnen großzügig gefördert. Man liebte die Kameen, die man als Schmuck an Kleidern und Halsketten trug und die im 16.Jahrhundert in großen Mengen produziert wurden. Die Darstellungen wiederholten sich – Köpfe römischer Kaiser und der Minerva oder Brustbilder der Lukretia und der Kleopatra waren gefragt.
Daneben wurden auch berühmte antike Gemmen immer wieder kopiert - wobei die Absicht der Fälschung sicherlich oft vorhanden war. Die Qualität der antiken Vorbilder wurde von den Renaissancekünstlern jedoch nie erreicht. Das Grundmaterial für Kameen – Lagenachat –war in dieser Zeit wohl schwierig zu beschaffen, denn nur so lässt sich erklären, dass viele Kameen des 16.Jahrhunderts aus zwei verschiedenen Steinen bestehen, die zusammen gekittet wurden (1).
Zu den signierenden Künstlern dieser Zeit gehören unter anderen: Ciovanni delle Carniole, der in Florenz auch für Lorenzo de Medici arbeitete und den Karneol als Stein für seine Intaglien bevorzugte, Domenico dei Cammei, Vallerio Belli — welcher überwiegend in Bergkristall gravierte und Alessandro Cesati in Rom, der wegen seiner Geschicklichkeit im Kopieren antiker griechischer Steine auch Il Greco genannt wurde.
Valerio Belli um 1520
Bergkristall Intaglio
"Das Urteil des Paris"
Photo © Victoria and Albert Museum, London
In Frankreich arbeitete zu dieser Zeit der aus Verona stammende Matteo dal Nassaro, der von König Franz I. von Frankreich an dessen Hof gerufen wurde und 1548 in Paris starb.
Italienische Gemmenschneider trugen die Kunst der Renaissance an die Höfe fremder Fürsten und Mäzene in fast allen europäischen Ländern. Kaiser Rudolf II. (1552/1576-1612), ein begeisterter Förderer der Glyptik, beschäftigte neben vielen anderen auch die aus Mailand stammende Steinschneiderfamilie Misseroni. Sie schliffen und gravierten für Kaiser Rudolf II. riesige Vasen und Schalen aus Edelsteinen, die heute zu den schönsten Stücken der Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum in Wien gehören. In Deutschland arbeiteten Valentin Drausch (2), Alexander Weller, Hans Dollinger , Franz und Anton Schweinberger, Zacharias Belzer und der 1552 in Nürnberg verstorbene Daniel Engelhardt, den Albrecht Dürer sehr hoch schätzte.
Kamee mit Motiven aus dem alten und neuen Testament. Lagenachat mit drei Lagen.
15. Jahrhundert.
Die Emailefassung wurde im 17. Jahrhundert gefertigt.
Nationalbibliothek, Paris
Kollektion, Louis XIV.
Der Steinschneider, Holzschnitt von Jost Amman im Ständebuch des Hans Sachs von 1568
Das 17. Jahrhundert, in dem in Europa 22 Kriege geführt wurden und die religiösen und dynastischen Spannungen ihren Höhepunkt im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) erreichten, hat aufgrund dieser Turbulenzen nur wenige Gemmenschneider hervorgebracht. Der in Prag geborene und bis zu seinem Tode dort arbeitende Dionysio Miseroni (1607? - 1661), dessen Vater Ottavio aus Lisone, einem Vorort von Mailand stammte, war der bedeutendste Graveur dieser unruhigen Zeit. Von seinem Vater, den Kaiser Rudolph II im Jahr 1588 nach Prag, zusammen mit seinen Brüdern, einlud um ihn für sich arbeiten zu lassen, hatte er die Graveurkunst gelernt. Ottavio Miseroni, der 1624 verstarb, besaß eine große Gravierwerkstatt in der Prager Burg und eine mit Wasserkraft betriebene Edelsteinschleiferei auf dem Gelände der Kaisermühle an der Moldau, die nach seinem Tode von Dionysio übernommen wurden.
Die Kaisermühle an der Moldau um 1920
Kaiser Rudolf II. hatte 1589 Ulriko Aostalli beauftragt, die Mühle zu einer weiträumigen Anlage mit Grotte und Teich, Edelsteinschleiferei und Glashütte auszubauen. Von der kaiserlichen Anlage ist lediglich die Grotte erhalten geblieben, sie ist inmitten einer 2008 errichteten modernen Wohnanlage verborgen.
Reliefcommesso
(Aus verschiedenen Steinen zusammengesetztes Relief)
Werkstatt Ottavio Miseroni
Erst im 18. Jahrhundert erfährt die Glyptik wieder einen neuen Aufschwung.
Wie in der Renaissance wird auch jetzt das Ideal in der Antike gesehen, das Barocke wird abgestreift und eine ausgesprochen klassizistische Richtung eingeschlagen. Das Interesse der Sammler an geschnittenen Steinen – nach antik aussehenden Werken – ist enorm, was die Gemmenschneider dazu aufstachelt, mit den Arbeiten der Antike zu rivalisieren.
Mit virtuoser Technik und Eleganz erreicht der neue Klassizismus den antiken – übertrifft ihn manchmal sogar. An innerem Leben jedoch war die aus der großen Kunst der griechischen Zeit schöpfende hellenistische und augusteische Kunst nicht zu überbieten. Der kleine, in hellenistischer Zeit entstandene Pan Kameo, einst im Besitz des Malers und Goethe- Freundes Tischbein ist dafür ein ausdrucksstarkes Beispiel. Leider ist der Kameo, der im März 1945 zusammen mit andern wertvollen Stücken des Berliner Antikenmuseums ausgelagert und 1947 ins Zonal Fine Arts Repository nach Celle gebracht wurde, nicht mehr aufzufinden - wahrscheinlich wurde er gestohlen.
Neben der Antike wurde im 19. Jahrhundert auch die zeitgenössische Kunst als Vorbild genommen, Werke von Bertel Thorvaldsen (1770-1844) – der selbst ein sicherer Kenner und begeisterter Sammler antiker Gemmen war – und des großen italienischen Bildhauers Antonio Canova (1757–1822) waren beliebt, denn ihre Motive ließen sich gut auf die kleinen Steine übertragen.
Die Tiroler Familie Pichler gehörte zu den bedeutendsten Gemmenschneiderfamilien des 18. und 19. Jahrhunderts. Der in Brixen geborene Anton Pichler (1697-1779) erlernte in Neapel die Kunst des Gemmenschneidens und arbeitete später in Rom. Auch seine beiden Söhne Giovanni (1734-1791) und Luigi (1773-1854) widmeten sich der Kunst ihres Vaters.Giovanni ( Johannes) Pichler 1734-1791
Selbstbildnis; Kupferstich ca. 1784
Dieses Bild befand sich bei seinen Unterlagen für seine Bewerbung als Hofgraveur in Paris.Luigi Pichler (1773-1854)
Giovanni Pichler
"Ajax"
Photo © Victoria and Albert Museum, London
Giovanni, der wohl berühmteste Gemmenscheider des 18. Jahrhunderts kam mit seinen Werken den antiken Vorbildern am nächsten, selbst Winkelmann soll eine von ihm gravierte Gemme für antik gehalten haben. Seine signierten Werke waren so begehrt, dass Werke weniger begabter Künstler des öfteren mit seiner Signatur versehen und als „Original Pichler“ verkauft wurden. Giovannis viel jüngeren Halbbruder Luigi ging bei ihm in die Lehre, seine Arbeiten sind hervorragend – duftig und zart, ausbalanciert und ausgewogen – sie übertreffen sogar Giovannis Werke an Eleganz und Anmut.
Luigi Pichler
Citrin-Intaglio
Die Herme des Terminus wird von Engeln mit einer Girlande geschmückt. (4)
Amor und Psyche von Luigi Pichler
Luigi arbeitete in Rom und wurde 1818 als Professor an die Wiener Akademie berufen. Weniger erfolgreich waren Anton Pichlers dritter Sohn Giuseppe (1776-1829) und Giovannis Sohn Giacomo (1778-1815).
In England arbeitete Nathaniel Marchant (1739-1816), ein bedeutender Klassizist und Rivale Giovanni Pichlers. Marchant, der bei Edward Burch (1730-1814) den Steinschnitt lernte, stand im Dienste König Georgs IV. und arbeitet auch für George Spencer, den Herzog von Marlborough, der ihn sehr unterstützte. Auch Marchants Werke – er schnitt überwiegend Intaglien, meist nach klassischen Vorbildern – sind technisch perfekt, sie unterscheiden sich jedoch durch ihren etwas härteren Stil von den Arbeiten der Pichlers. 1772 übersiedelte er nach Rom und kehrte erst im Sommer 1788 nach London zurück. Seine in Rom entstandenen Arbeiten sind mit Marchant F. Romae signiert.
Die englischen Gemmenschneider Charles (1749-1795) und William Brown (1748-1825) gehörten ebenso zu den hervorragenden Graveuren dieser Zeit. Sie arbeiteten ab 1786 überwiegend für die russische Gemmensammlerin Zarin Katharina II.
Das Interesse von Zarin Katharina II an den Werken moderner und antiker Glyptik führte dazu, dass Ihre Sammlung durch fortwährende Ankäufe und Schenkungen ständig wuchs und schließlich 10000 Steingemmen und 34000 Stück Pasten umfasste. Sie besaß damit das größte Medaillenkabinett in Europa. Auf Ihre Anordnung hin wurde im Ural mit der Suche nach zum gravieren geeigneten Steinen im Jahre 1781 begonnen. Mit den Funden von Glimmerschiefer, der Aufgrund seiner parallel ausgerichteten Lagen zum Schneiden von Kameen geeignet war, entstand im zaristischen Russland, in Peterhof, Ekaterinburg und Kolyvan, eine Kameen- Industrie, die überwiegend Kameen nach antiken und klassizistischen Vorbildern schnitt. Vorlagen fanden sich in Katharinas Glas- und Schwefelpastensammlung zu genüge. Ihren Höhepunkt erreichte die Kameen Produktion in den Jahren 1820 bis 1840, jedoch bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts verlor sie schnell an Bedeutung, während die Idar-Obersteiner Graveure gerade am Anfang der Kameen Hochkonjunktur standen.
Auch der Schwiegertochter von Zarin Katharina II, Maria Feodorowna, geborene Prinzessin Sophia Dorothea von Württemberg ( 1759-1828 ) lag die Glyptik besonders am Herzen. Unter Anleitung des aus Meiningen stammenden Steinschneider und Medailleur Karl Alexander von Leberecht ( 1755-1827 ) schnitt sie selbst Gemmen von erstaunlicher Qualität. Das mit „Maria F 21.April 1789“ datierte Porträt von Katharina II, das sich heute noch in der Ermitage in St. Petersburg befindet, und Katharina als Minerva mit Helm zeigt, zeugt von Maria Feodorownas Kunstfertigkeit.Auch der bedeutendste Sammler und Mäzen der russischen Aufklärung, Alexander S. Stroganov, Präsident der St. Petersburger Akademie der Künste sowie Leiter der staatlichen Pietre-Dure-Manufakturen war ein Freund der Gemmen. Am 6. Juni 1800 wurde an der Akademie eine Klasse für Steinschnitt und Medaillenentwurf unter der Leitung von Akademiemitglied Karl Alexander von Leberecht eingerichtet. Leberecht der seit 1778 am Petersburger Münzhof, ab 1799 als dortiger Hauptmedailleur arbeitete leitete die Klasse bis zu seinem Tode 1827.
Edward Burch
Photo © Victoria and Albert Museum, London
Nathaniel Marchant 1794
Nathaniel Marchant
"The Death of General Wolfe"
nach einem Stich von Luigi Schiavonetti
Brauner Achat
28 x 23 mm
Gefertigt um 1789. Signiert: MARCHANT INV. F.
Abguss eines Karneol-Intaglios von Charles Brown
Mars und Bellona von Charles Brown , ca. 1784
Der in Marseille geborene Jaques Guay (26. 9. 1711 Marseille, † 8. 2. 1797 Barre/Senlis) gilt als wichtigster Vertreter der Glyptik des 18. Jh. in Frankreich.Seine mythologischen und allegorischen Darstellungen – überwiegend nach Zeichnungen von Bouchardon und Boucher – zeichnen sich durch technische Sorgfalt und geschmackvolle Eleganz aus. Er genoß die Gunst Mme. Pompadours (1721 - 1764), der Gespielin von Louis XV, die er auch im Gemmenschneiden unterrichtete. 1745 wurde er auf Betreiben von Mme. Pompadour zum graveur du Roi ernannt. Nach ihrem Tode musste er von Versailles nach Paris zurückkehren, wo er einsam und vergessen starb.
Jaques Guay
Die Geburt des Herzogs von Burgund
1751-1756
Mme. Pompadour
Signatur: Pompadur. F 1752
Ein Geschenk für Charles de Rohan, Prince de Soubise.
In Deutschland fertigten Johann Christoph Dorsch (1676-1732) und seine Tochter Susanna Maria Preisler (1701-1765) große Mengen an flüchtig gravierten Gemmen, überwiegend nach Kupferstichen und italienischen Gemmenabgüssen. Der in Biberach geborene Johann Lorenz Natter (1705-1763), der Deutschland bald verlies und durch die Welt zog, er lebte in den Niederlanden, in der Schweiz, in England, Italien, Dänemark, Schweden und in Russland in St. Petersburg, wurde bekannt durch seine 1754 in London erschienene Abhandlung: „ Traité de la méthode antique de graver en pierres fines, comparée avec la méthode moderne“, in der auch Zeichnungen seiner Werkstatteinrichtung abgebildet sind. Sein letzter Besuch in Russland – er wollte seine Stellung als Hofsteinschneider bei Katharina II. antreten – endete tragisch, er erkrankte schwer und starb kurz darauf. Den zweiten Teil seiner nur als Manuskript vorliegenden Abhandlung „Museum Britannicum“ konnte er nicht mehr veröffentlichen.
Kurz zuvor, 1750, hatte Piere Jean Mariette (1694-1774), Schriftsteller und Kunstsammler in Paris, seine "Abhandlung über gravierte Steine" in 2 Bänden "Traité des pierres gravées du cabinet du roi" mit einer Abbildung von Jaques Guay an dessen Werkbank herausgebracht (3). Der erste Teil beschäftigt sich mit der Gemmenkunde, der Zweite präsentiert Zeichnungen von Bouchardon nach Gemmen des königlichen Kabinetts.
Portrait von Philip von Stosch
Lorenz Natter
1739
Smaragd Intaglio. 2.6 x 2.1 cm
Signiert: NATTER EPOIEI
Piere Jean Mariette´s Abhandlung über gravierte Steine.
Rechts, Jacques Guay in seiner Werkstatt in Versailles.
In Berlin fertigte der Hofsteinschneider Karl Wendt (1760-1810) überwiegend Wappen und Gottfried Benjamin Tettelbach (1750-1813) gravierte, mit seinen beiden Söhnen, nach antiken Vorlagen in Dresden. Der Steinschneider und Medailleur Friedrich Wilhelm Facius (1764-1843) arbeitete in Weimar. Facius, der auch für den Weimarer Hof arbeitete, war ein Protegé des leidenschaftlichen Gemmensammlers Johann Wolfgang von Goethe. Auch Facius` Tochter Angelica Bellonata Facius (1805-1887), eine Schülerin des Berliner Bildhauers Christian Daniel Rauch, beschäftigte sich zeitweise mit dem Schneiden von Gemmen.
In Suhl war der Hofgraveur Johann Veit Döll (1750-1835) als Steinschneider und Medailleur sehr geschätzt. Seine Gemmen sind, bis auf ein Stück, alle verschollen. Einige Abdrücke sind jedoch erhalten, der kleine Herkules Intaglio – wahrscheinlich nach einem Abguss von Anton Pichlers Gemme gefertigt – zeigt die Kunstfertigkeit Dölls. Aus den Entwürfen von Briefen, welche der Graveur Döll 1793, 1804 und 1813 an seine Kunden geschrieben hat, lassen sich interessante Erkenntnisse über die Bearbeitungstechnik in der Antike gewinnen. Er erklärt darin ausdrücklich, dass mit einer kleinen Gravierspindel mit fußbetriebenem Schwungrad keine größeren Steine graviert werden konnten. Die bis jetzt gültige Annahme, dass in der Antike die großen Staatskameen noch mit einer vom Fidelbogen angetriebenen Spindel graviert wurden, ist damit eindeutig widerlegt. Die Kraft, welche die alternierende Bewegung eines Fiedelbogens erzeugt, ist wesentlich geringer als die eines fußbetriebenen Schwungrades.Er schreibt 1793 an einen Herrn Gaß in Petersburg: " .. Ich besitze nicht mehr als ein einziges kleines Schneidezeug zum Gebrauch des Tiefschneidens, weil ich an den Erhabenen kein Vergnügen finde und weil es bei uns schlechter bezahlt wird als jenes, zu welchem freilich ein großes Zeug erforderlich ist..."
1804 Die Antwort auf ein Schreiben: " Ew. Wohlgeboren Schreiben nebst Zeichnung habe ich erhalten... ...Beiligender Calcedon ist nach der vorgeschriebenen Größe des Siegels etwas zu groß und der Kristall zu klein, wenn die Größe durchaus beibehalten werden muss. Mein Schneidezeug ist nicht dazu geeignet, die Form und Größe der Steine zu verändern, weil alles zu klein eingerichtet ist".
1813 schreibt er an einen Herrn Thomas: "... Mein Sohn hat vor seiner Abreise nach Mannheim ein Schneidezeug hier machen lassen. Ich lege die Größe und Form der Docke hier in ihrer eigentlichen Größe auf Papier mit bei. Sie ist absichtlich größer als die meinige gemacht, weil ich dafür halte, dass sie bei der Arbeit sanfter geht als ein zu leichtes und zu schwaches. Letzteres ist der Fall bei der meinigen, die ich lange gerne mit einer etwas stärkeren vertauscht hätte, wenn ich nicht zu viel Werkzeug dazu machen hätte, was ich scheue. Die Anzahl desselben möchte sich immer auf 500 belaufen, die im Gebrauch sind. Die Hülse ist so, dass das Werkzeug oder die Stifte mit Zinn eingegossen werden, welches geschwinder vonstatten geht, als den Stift im Ganzen in eine 4 eckige... einzufeilen. Die Hülse läuft in Zinn und so auch die meinige, weil sich dies weniger abnutzt als Messing. Gerne will ich bei demselben Meister eine für Ihnen besorgen, wenn Sie mir Auftrag hierzu geben. Es ist bei der ganzen Einrichtung, sowohl der Docke als des Schwungrades darauf zu sehen, dass alles eher etwas schwer als leicht gemacht wird, weil es sanfter läuft und sich gewisser daran arbeiten lässt. Das Schwungrad bei dem meinigen kann beiläufig 20 Pfund wiegen und ich hätte es gerne noch schwerer, wenn sich es tun ließe. Es tritt während der Arbeit oft der Fall ein, dass das Schrubchen [ein niedlicher Ausdruck für das Gravierrädchen] so langsam sich bewegen muss, dass man es kaum merkt, dass es sich bewegt. Ist nun das Schwungrad zu leicht, so bleibt es stehen beim Anhalten des Steins an das Schrubchen. Hat das Rad aber seine gehörige Schwere so tut es das nicht..."
Aus diesen Briefen lernt man, dass das Drehmoment ein entscheidender Faktor beim Gravieren größere Steine ist. Es ist jetzt nachvollziehbar, warum die Miseronis riesige handbetriebene Schwungräder den kleinen Fußbetriebenen vorzogen, um ihre großen Objekte in Form zu schleifen und zu gravieren. Mit einer vom Fidelbogen angetriebenen Spindel wäre es gar unmöglich gewesen, große Objekte zu gravieren.
Die Miseronische Gravierwerkstatt in der Prager Burg 1653
(Ausschnitt aus einem Ölgemälde von Karel Škréta)
Wie mühsam die Arbeit an einer fußbetriebenen Gravierbank mit Schwungrad vonstatten geht, habe ich an meiner ca.1860 hergestellten Gravierbank, die ich nur zu Demonstrationszwecken gelegentlich benutze, erfahren. Dölls Gravierbank könnte so ähnlich ausgesehen haben.
Fußbetriebene Gravierbank mit Schwungrad, ca. 1860
1. Ingrid S. Weber: Kostbare Steine. Die Gemmensammlung des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, München 1992
2. Hilda Lützmann: Valentin Drausch und Herzog Wilhelm V. von Bayern, Berlin 1998
3. Piere Jean Mariette: Traité des pierres gravées, Paris 1750
4. Terminus ist in der römischen Mythologie der Gott der Grenzsteine.
Der Festtag Terminus’ wurde als die "Terminalia" bezeichnet. Im Laufe der Terminalia wurden
die Grenzsteine von den Besitzern der anliegenden Grundstücke gemeinsam mit Blumen geschmückt.5. Wenige Monate nach seiner Hochzeit 1537, wurde Alessandro von seinem entfernten Vetter Lorenzino de Medici ermordet,
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